Samstag, 20. Februar 2016

Häkeln ist wieder "in"...

Ich erinnere mich an Zeiten in meiner Kindheit und Jugend, da waren Hobbies wie Häkeln und Stricken eher was für Omas und mit das "un-coolste" überhaupt. Etwas wozu man im Unterricht gezwungen wurde, was ich persönlich immer schade fand, da es mir immer Spaß gemacht hat. Habe es trotzdem getan. Man sprach halt nicht drüber. Und als Südländer-Kind wurde es irgendwie vorausgesetzt, dass man es konnte ;)
Später hatte es einen leichten Öko-Beigeschmack. Was nicht schlimm ist, man wurde nur wieder in eine Kategorie gesteckt. Unser Professor für Entwicklungspsychologie - ein richtiger Alt-68er - erzählte über Zeiten, in denen Studentinnen alle im Hörsaal mit den Stricknadeln klimperten. Und heute ist es ein richtiger Trend. Zu Zeiten, an denen viele nicht mehr wissen, wie man einen Knopf annäht, erntet man hier häufig Bewunderung und Komplimente! Aber es nicht nur Hipster-Trend oder etwas für Jungdesigner, die ihre Projekte im Internet verkaufen, sondern es ist etwas für Jung UND Alt. Etwas was Generationen vereint. Etwas für Hipster, Ökos und Otto-Normal-Verbraucher. Ich merke es immer wieder im Kollegenkreis oder auf Seminaren. Man kommt gleich ins Gespräch. Und was man heute alles Stricken oder Häkeln kann: Sehr beliebt sind Amigurumi - kleine niedliche Figuren, die ich Euch heute mal zeigen möchte.
Aber auch Home-Decor-Gegenstände wie Platzsets, Körbe, Utensilos, Teppiche, Fußmatten, Lampenschirme, Bilder, Bilderrahmen, Hockerüberzüge, Sitzpoufs, Kuscheldecken und, und, und... Natürlich auch die klassischen Schals, Mützen, Beanies, Armstulpen und in diesem Winter verstärkt Ponchos.
Selbst die Materialien werden immer vielseitiger - dazu aber später mehr.

Heute möchte ich Euch erstmal meine ersten Gehversuche im Amigurumi-Häkeln präsentieren. Es macht wirklich Spaß und man findet viele kostenlose schriftliche Anleitungen im Internet oder Schritt-für-Schritt-Videos bei Youtube:


Ein Goldfisch - für den ersten Versuch war ich schon sehr zufrieden.

Das nächste war natürlich ein kleiner Drache! Ich liebe ihn. 
Auch wenn er an die Vorlage nicht 100% dran kommt. 


Diese Eule geht super-einfach und schnell. Mittlerweile treibt sie mich in den Wahnsinn, weil ich fast täglich bei Pinterest eine Nachricht bekam, dass die Original-Anleitung repinnt wurde. :D 
Aber ansonsten immer noch zuckersüß. Als Schlüsselanhänger bestimmt ganz toll. 

Dann durfte es auch mal etwas herausfordernder werden. Auf dieses Häschen bin ich besonders stolz:


Auch hier gab es die Anleitung kostenlos im Internet. Bunny sitzt jetzt bei mir im Büro...


Ich habe mich dann beim Häkeln aber wieder von Amigurumi entfernt. Es nervt mich, wenn ich etwas ein zweites Mal wiederholen muss. Also nochmal der selbe Arm, oder Bein oder Ohr. Ich möchte immer wieder was Neues probieren. Und ich habe festgestellt, dass ich es ganz furchtbar finde, wenn ich Augen sticken oder Filzstücke annähen muss. Also bin ich schnell zu anderen Projekten gewechselt. Einmal nach einer Kreativmesse zur Halloweenzeit in Frankfurt, hat es mich noch einmal gepackt:


Ein kleiner Dekokürbis ♥ Hier musste man auch nichts wiederholen und kaum sticken ;)

Also traut Euch ran - ich habe es mir über Erklärvideos wieder selbst beigebracht! Nach über 15 Jahren wusste ich nichts mehr. Man kommt so schnell wieder rein. Man muss sich nur trauen!

Viel Spaß dabei!
Eure draggoon

Freitag, 19. Februar 2016

Aber jeder braucht doch ein Wohnzimmer!

Braucht man eigentlich ein Wohnzimmer?

Eine Frage, die mich immer mal wieder einholt. Nicht nur bezogen auf ein Wohnzimmer sondern ganz allgemein. Brauche ich das wirklich? Wozu? Bin ich dann glücklicher? Wirklich? In Frankfurt gibt es einen Laden der "Kauf Dich glücklich" heißt. Ernsthaft? Kann man sich glücklich kaufen?

Als ich mit etwa 23 Jahren aus meinem Elternhaus in meine erste Mietwohnung gezogen bin, habe ich fast meine gesamten Ersparnisse in die Wohnungseinrichtung gesteckt. So wie sich das gehört. Eine neue Einbauküche, einen schönen Wohnzimmerschrank, neuer Teppich, Vorhänge usw. Ich erinnere mich noch an die damalige Diskussion mit meinem 11 Jahre älteren Bruder darüber, ob man eine neue Einbauküche braucht, oder ein neues Auto. Er selbst wohnte in einer Großstadt, in der die Mietpreise nicht vergleichbar waren mit dem Örtchen, in dem ich wohnte. Was ich für meine 60 qm gezahlt habe, hätte dort kaum für ein Zimmer gereicht. Er zog also damals in eine zweier-WG, um sich die Wohnung überhaupt leisten zu können. Ohne Wohnzimmer. Ich hätte mir eine Wohnung ohne Wohnzimmer absolut nicht vorstellen können. Wo soll denn der Besuch sitzen? Wie, in der Küche? An dem kleinen Tisch? Außerdem, ist das doch unbequem. Die ganze Zeit auf Stühlen, das kann man doch niemandem zumuten? Und ja ich hätte auch eine gebrauchte Küche kaufen können, oder ähnlich wie bei einer Studenten-WG erstmal zusammengewürfelte Küchenmöbel. Aber nein, es muss natürlich eine schöne Küche rein, die anderen haben das doch auch. Das wär doch peinlich, einfach so wahllos zusammengestellte "Reste". Ne, das hat schon alles seine Richtigkeit. Dafür hatte ich ja auch vor meinem Auszug gespart.

Fünf Jahre später hat sich meine Lebensplanung dann spontan geändert: Ich wollte studieren, in Darmstadt, also über 300 km entfernt. Im Einzugsgebiet von Frankfurt, in dem die Mieten auch nicht viel rosiger aussehen als im Wohnort meines Bruders. Dafür musste ich meine Wohnung aufgeben und in ein winziges Studentenwohnheim ziehen mit nur einem großen Zimmer. Quasi von 60 auf 20 qm. Und jetzt? Wohin mit den ganzen Möbeln und meinen ganzen Sachen? Was mache ich mit der fast ungenutzten neuen Küche? Ich kann das doch nicht alles verschenken, da stecken doch meine ganzen Ersparnisse drin. Niemand wollte die Möbel kaufen, geschenkt vielleicht, aber kaufen nein. Die Küche bin ich für einen Spottpreis losgeworden. Da waren sie hin, die Ersparnisse, jetzt wo ich sie als Studentin so gut hätte gebrauchen können. 
Es ging natürlich nicht nur ums Geld. Ich hatte meine erste Wohnung ins Herz geschlossen. Das war mein erstes "eigenes Reich", das ich nun aufgeben musste. Auf das ich in gewisser Weise stolz war, war es immerhin ein Teil meiner ersten lang ersehnten Unabhängigkeit. Es tat schon weh, diese Wohnung aufzugeben für ein Vorhaben, das noch völlig in den Sternen lag. Werde ich den Studienplatz überhaupt bekommen? Wenn nicht, dann muss ich auch aus dem bezahlbaren Zimmer im Studentenwohnheim raus, das ich nur mit viel Glück bekommen hatte. Wie soll ich denn dann eine normale Wohnung in Darmstadt finanzieren bei den horrenden Mietpreisen? 
Wenn man sich ein paar Wochen und Monate mit diesen Fragen und der Suche nach einem Nachmieter plagt, kommt man irgendwann an den Punkt an dem man es nur noch "hinter sich bringen" möchte. Egal für welchen Preis, dann verschenke ich es halt. Hauptsache weg damit, Hauptsache es geht weiter und ich habe einen Punkt weniger auf meiner endlosen To-do-Liste stehen. 
Irgendwann war es dann so weit. Ich stand in Darmstadt in meinem neuen WG-Zimmer. Die Möbel waren aufgebaut, die wenigen Kisten noch nicht ausgepackt. Da steckt alles drin, was Du noch hast. Fühlte sich seltsam an. Einerseits traurig, dass man vieles weggeben musste, weil einfach kein Platz war. Es gab nicht mal einen Keller, in dem man etwas verstauen konnte. Aber auf der anderen Seite fühlte ich mich auch erleichtert. Als ob mir eine Last von den Schultern genommen wurde. Reisen mit leichtem Gepäck, wie man so schön sagt.

Wenn ich überlege, wie viel Kram ich weggeworfen habe. Zum Beispiel all die kleinen Tchibo-Mitbringsel, die ich bei fast jedem Einkauf angeschleppt habe. Aber die sind doch so praktisch. Im Nachhinein ärgere ich mich um all die unnötigen Ausgaben. Braucht man wirklich einen Mozzarella-Schneider, mit dem man auch gekochte Eier schneiden kann? (Ging übrigens beim zweiten Gebrauch kaputt.) Auch das Gerät mit dem man Kartoffeln oder Äpfel - je nach Einsatz - entweder in Spalten oder Stifte schneiden kann, in dem die Äpfel immer stecken geblieben sind, weil sie zu weich waren? Wie lange hat das gute Gefühl beim Kauf wirklich angehalten? Minuten? Kauf Dich glücklich? Wie oft habe ich mich wiederum um die völlig überfüllten Schränke geärgert. Ist doch nicht teuer, ein Schnäppchen. Die sechs Mark, heute etwa drei Euro. Ist doch nicht viel. In meiner Studienzeit waren drei Euro verdammt viel. Ein Essen in der Mensa.

Dann kamen die fünf Jahre Studium in der besagten WG-Wohnung. Die Erfahrung hat meine Einstellung nachhaltig verändert. Es ging auch ohne "Schnickschnack". Und ohne Wohnzimmer! Eigentlich braucht man nicht viel. Und ich war auch ohne "Shopping" glücklich zu der Zeit. Denn wenn wir mal ehrlich sind, die Dinge, die uns glücklich machen, können wir gar nicht kaufen. Was ich aus der Zeit am positivsten in Erinnerung habe ist das Gemeinschaftsgefühl. Wenn wir in Studienzeiten zusammen gekommen sind, ging es nicht darum, wer die schönere Einrichtung oder den am schönsten geschmückten Tisch hat. Auf größeren Feiern hat man sich auf die Zimmer verteilt, ist dadurch immer mit anderen Leuten ins Gespräch gekommen, weil das Essen in der Küche stand, oder man sich im Winter vom Balkon noch etwas kühles Getränk geholt hat. Die Gemeinschaftsspiele oder die Musik war wiederum in einem anderen Raum (nicht, dass es so viele Räume zur Auswahl gab). Und jeder hat einfach etwas zu Essen oder zu Trinken beigesteuert. Es war so einfach.

 Einfachste Deko für ein WG-Pizzaabend mit meinen Mädels ;)

Ich erinnere mich auf unserem Gang hatte jede Wohnung eine Besonderheit. Wir waren die einzige WG mit einem Backofen - zwischen Spüle und Kühlschrank hat jeder die Lücke anders genutzt. Der Ofen wurde beim gemeinsamen Grillen für das Aufbacken der Fladenbrote oder Baguettes genutzt. Die Nachbar-WG hatte dafür die Spülmaschine - die man anschließend dankender weise nutzen konnte. Und die dritte WG hatte einen zweiten riesigen Kühlschrank für Getränke und Eis. Man durfte aber auch beispielsweise die Coppenrath-und-Wiese-Torte für den Besuch dort deponieren, weil der eigene Mini-Kühlschrank keine Gefriermöglichkeit aufwies. Das klappte zwar nicht immer, weil man zum Zeitpunkt des Auftauens dann niemanden in der WG antraf und man telefonisch die Erlaubnis bekam, durchs gekippte Küchenfenster zu steigen. Irgendwie sehr chaotisch - und jeder, der mich kennt, weiß, dass ich Chaos schrecklich finde. Kontrolle und Ordnung geben Sicherheit. Aber da war es ok, man hat alles irgendwie hinbekommen.
Es war ein Miteinander, weil keiner von uns alles im Überfluss besaß. "Hast Du mal Colorwaschmittel oder Schuhcreme?" wurde irgendwann zurückgegeben, als beim anderen über Nacht das Brot verschimmelt war. Oder als der Nachbar das Unkraut mit einem Gasbrenner (?) bei sich entfernte, wurde unseres einfach mal mit entfernt. Einer hatte frischen Spargel, da hat ein anderer spontan die Kartoffeln und die Hollandaise beigesteuert und auf der Terrasse entstand ein spontanes gemeinsames Mittagessen. Diese Momente wogen andere Momente auf, in denen man es Leid war, dass man sich so vieles nicht mehr leisten konnte. Einfach mal so richtig lecker essen gehen, wenn man darauf Lust hatte... Wenn man die stetig wachsende Sharing- oder Tausch-Bewegung aktuell verfolgt, scheint der Trend des Teilens und der Nachhaltigkeit durch Schonung der Rohstoffe immer mehr Anklang zu finden.

Ausblick aus unserem Küchenfenster auf die Europäische Zentralbank 
während der Renovierungspause...

Jetzt, viele Jahre nach meinem Studium, in einer "richtigen" Wohnung im Frankfurter Ostend, vermisse ich dieses Gefühl der Einfachheit und der Gemeinschaft manchmal. Die meisten Freunde sind wieder in ihre alte Heimat oder in eine neue Stadt gezogen und ich sehe sie nicht mehr so oft wie früher. Ich kann mir jetzt Vieles leisten und der finanzielle Notgroschen lässt mich auch friedlicher schlafen. Diese Leichtigkeit und Einfachheit war jedoch ein besonderer Zauber aus jener Zeit. Ich möchte die Zeit auch nicht durch eine romantische rosarote Brille glorifizieren, es war auch hart. Aber vor allem war es eine nachhaltige Lektion für mich, mir diese Bescheidenheit und Bewusstheit zu erhalten. Wir sind erst vor ein paar Monaten von Rödelheim in den Ostend Frankfurts umgezogen und ich wäre an der einen oder anderen Stelle fast in das alte "Konsum-Muster" zurückgefallen. Dann versuche ich aber innezuhalten und frage mich "Macht mich das wirklich glücklich, wenn ich das habe?" Und die Antwort ist meist ein Nein.

Ich plane gerade meinen anstehenden Geburtstag und habe mich vorhin dabei ertappt, dass ich mich ständig frage, was ich anbieten soll. Und ob es ausreichend ist, ob ich schönere Deko benötige, ob meine Gäste schlecht über mich denken werden, weil die Wohnung noch nicht fertig dekoriert ist. Ja, unser Sofa ist noch nicht mal angeliefert. Aber wir haben einen wunderbaren großen Esstisch, an dem wir sitzen, essen, spielen und lachen werden. Ich hatte sogar kurz überlegt, ob ich ohne Sofa überhaupt feiern soll! Ein fehlendes Wohnzimmer - welch Ironie... Doch die alten Erinnerungen haben mich daran erinnert, dass es nicht darum geht, wie schön meine Wohnung ist, sondern dass ich mich so sehr auf die Menschen freue, die mich extra an diesem Tag besuchen werden. Menschen, die einen ganz besonderen Stellenwert in meinem Leben haben und für die ich viel zu wenig Zeit finde. DAS zählt, nicht wie man sich darstellt. Auch wenn beim Kochen etwas schief gehen sollte, sie werden mich trotzdem genauso gern haben wie vorher. Vielleicht sogar noch mehr, weil man keine Fassade aufbaut, weil man Mensch ist und bleibt mit kleinen Fehlern, die liebenswert machen. Und so wie ich jetzt über die kleinen Pannen aus früheren Zeiten lachen kann, ist es doch Stoff für weitere schöne Erinnerungen und Anekdoten...
In Bescheidenheit und Vorfreunde - Eure last-draggoon














                                 
Ein paar Eindrücke vom Sonnenuntergang in meinem geliebten Ostend